
„Wir werden Königin“, singen die Schwestern und sind sich einig, dass der Prinz die große Entscheidung über seine Zukünftige treffen wird, auf dem großen Ball. Dazu gibt es Insta-Tipps, den besten Weg, den Prinz zu gewinnen, denn er sucht ja nach jemandem, der sich nicht mit Worten in den Mittelpunkt stellt: schön zurückhalten bitte.
Regel Nummer 1: Sei immer verständnisvoll. Nie hinterfragen. Wenn der Prinz schlechte Laune hat, ist das niemals seine Schuld!
Regel Nummer 2: Lass ihn einen Helden sein. Männer lieben das.
Regel Nummer 3: Niemals widersprechen. Einfach nicken und lächeln, immer charmant und höflich, du willst ja nicht zickig wirken: Schlauer Prinz, glückliche Prinzessin.

Lisa, die mit viel Engagement und kreativem Gespür das moderne Aschenputtel names „Ella“ spielt, wischt sich durch die Posts, die die Schauspielerinnen erstellt haben, um zu zeigen, wie man sich heutzutage auf die Eroberung „des Prinzen“ vorbereitet: Augenringe abdecken bitte, auf die Base achten und Glow ist wichtig, curly Hairlook und außerdem ein bisschen overlinen. „Und folgt meinen Tipps: Der perfekte Finish in nur 15 Minuten.“
Aber wieso ist dieser Prinz eigentlich so toll, hinterfragt Ella leise. Ihre Schwestern antworten zögerlich, charmant sowie selbstbewusst gespielt von Mia, Jana und Livia. Als ultrastrenge Mutter, die ihre Kinder mit aller Härte dirigiert, tritt schließlich Lotta auf, und die Bühne gehört im gleichen Moment ganz ihr: Eine umwerfende Präsenz. Das Ansehen des Hauses stehe schließlich auf dem Spiel, nur „Aschenputtel“ passe nicht in dieses Konzept, sie solle stattdessen aufräumen, so befiehlt die Mutter der vier jungen Damen.

Das Drama nimmt seinen Lauf, ein Märchen ganz ohne Magie, dafür mit Gefühl und Ironie: Woher soll auch ein Kleid für Aschenputtel kommen, fragen sich die Schwestern, etwa aus Haselnüssen, von der toten Mutter, vom Baum fallend durch irgendwelche Tauben? Alle lachen. Letztlich finden sie dann noch ein passendes Kleidungsstück aus der Rumpelkammer: möglichst schlicht, aber immerhin: alle vier halten zusammen.
Worum geht es eigentlich? Um Schwestern, die auf der Suche sind, zweifeln, um ihre Zukunft ringen und sich und ihre gute Beziehung zueinander nicht verlieren wollen. Feindinnen? Fehlanzeige, stattdessen ist es die Mutter, das System, die Erwartungen, die die vier Schicksalsgenossinnen auf die Probe stellt.

Großartiger Höhepunkt: Nachdem das Wünschen nicht hilft, wendet sich Ella ans Publikum, so dass die ZuschauerInnen, perlenzählend, während Turteltauben-Geräusche sie begleiten, alleine bleiben. Ella geht währenddessen auf den Ball: Frau muss sich nur zu helfen wissen.
Auch die anderen Schwestern werden glücklich, finden ihren eigenen Weg. Nur der Mutter stößt die abschließende Wendung sauer auf: Der dritte Ball ist abgesagt, und der Prinz sucht nach Ella. Das kann ja gar nicht sein, die Verachtung trieft nur so aus ihrer Stimme. Doch die vier jungen Frauen rebellieren: „Aber Mutter, hast du ein erfülltes Leben?“ Mutter schweigt und zeigt zum ersten Mal echte Emotionen: Zweifel. Sie habe als Kind alles gegeben, nur, um ein Lächeln zu bekommen. Aber „gut“ sei eben nie genug gewesen. Und nun gehen die Kinder ihren eigenen Weg?

Die Märchenvorlage zerbricht zum Schluss an einem wahren Happy End. Und einen Prinzen? Den braucht dieses Stück gar nicht, ebenso wenig wie Streit unter Geschwistern.
Für diese starke Aufführung der nur fünf Protagonistinnen sowie der soliden Leistung des Bühnen- und Technikteams, alle unter der Leitung von Frau Graeff, ein ganz besonderes Lob: Ein wunderbar individuelles Stück voller Zeitgeist und Charakterstärke!
C. Ruf
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